Nächstes Café am 19. Oktober

Feindbild „Lügenpresse“. Über ein massenwirksames verschwörungstheoretisches Konstrukt

Seit Beginn der rechtsoffenen „Montagsmahnwachen für den Frieden“ und der antimuslimisch-rassistischen Pegida-Demonstrationen sehen sich Journalist*innen neuen Angriffen und Anfeindungen ausgesetzt. Umfragen zufolge glaubt außerdem die Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland, dass die Nachrichtenmedien von der Regierung und von Wirtschaftsverbänden gesteuert werden, und dass sie häufig absichtlich die Unwahrheit sagen. Wie steht die rechte Mobilmachung in Verbindung zu diesen Einstellungen? Um sich dieser Frage zu nähern, werden im Vortrag Diskursfragmente aus rechten Internetblogs analysiert. In ihnen offenbart sich als Bezugspunkt für den „Lügenpresse“-Begriff eine umfassende Verschwörungskonstruktion. Zur analytischen Einordnung schlägt der Referent vor, das „Lügenpresse“-Ideologem als paranoischen Diskurs zu verstehen. Dafür macht er einen kulturhistorisch fundierten Begriff des Paranoischen stark, der die Paranoia nicht als das außerhalb Gesellschaft stehende Andere versteht, sondern als besonders starke Ausprägung von bestimmten alltäglichen kulturellen Praktiken und Erzählstrukturen. Diese Anschlussfähigkeit an alltägliche kulturelle Praktiken gilt es zu berücksichtigen, wenn eine Erklärung für den Erfolg des Lügenpresse-Ideologems im Rahmen neuer rechter Organisierung gesucht wird. Mit der Renaissance des paranoisch strukturierten „Lügenpresse“-Vorwurfs kommt daher emanzipatorischen, nicht-verkürzenden Formen der Medienkritik eine besondere gesellschaftliche Bedeutung zu.

Autoreninformation:
Rolf van Raden studierte Literaturwissenschaft, Politikwissenschaft und Theaterwissenschaft. Arbeitete zehn Jahre lang als freier Journalist, jetzt hauptsächlich in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Er ist publizistisch und wissenschaftlich tätig am Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung sowie Mitarbeiter der Linksfraktion im Rat der Stadt Bochum. Wissenschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Rassistische Diskurse und gesellschaftliche Ausgrenzung, kritische Psychiatriegeschichte, Biopolitik und Bio-Macht im transdisziplinären Kontext. Veröffentlichungen u.a.: Im Griff der Medien. Krisenproduktion und Subjektivierungseffekte, hg. zus. m. Siegfried Jäger, Münster 2011; Tradierte Aussagesysteme. Psychiatrie und Biomedizin als Diskurs und politische Praxis. In: S. Dickel/M. Franzen/ Ch. Kehl (Hg.): Herausforderung Biomedizin – Gesellschaftliche Deutung und soziale Praxis. Bielefeld 2011; Psychiatrie der Prävention. Diskursverschränkungen von Medizin und Sicherheit. In: Kriminologisches Journal 4/2010; Patient Massenmörder. Der Fall Ernst Wagner und die biopolitischen Diskurse, Münster 2009.

» Los geht es wie immer um 19:00 Uhr mit leckerem veganen Essen und ab ca. 19:30 beginnt der Vortrag. Anschließend könnt Ihr wie immer noch das ein oder andere Getränk genießen.