20. Februar: TKKG – ein postnazistischer Jugendkrimi

20.02.2019 im AZ Mülheim. Vortrag ab 19.30 Uhr.

Mit Judo gegen „Wodka-Bruno“, „Dr. Mubase“ und „Miethai Zinse“
TKKG – ein postnazistischer Jugendkrimi

Der eine trägt eine Prothese, die andere nimmt Drogen oder sieht aus irgendwelchen weiteren äußerlichen Gründen irgendwie „verdächtig“ aus: In der Jugendkrimi-Serie „TKKG“, die in Deutschland vor allem als Hörspiel bekannt ist, steht am Anfang immer das Stereotyp. Rassistische Vorstellungen, antisemitische Ressentiments und ein reaktionäres Geschlechterbild prägen vor allem die frühen Fälle der vierköpfigen Bande aus den Figuren „Tim, Karl, Klößchen und Gaby“. Bis heute schallen deren protofaschistischen Machenschaften durch viele Kinder- und Jugendzimmer.

In dem Vortag und der anschließenden Diskussion soll es den Referenten allerdings weder um die vollständige Aufzählung der vielen Klischees gehen, die der Autor Stefan Wolf bei „TKKG“ bedient, noch wird der mögliche Schaden analysiert, den diese Erzählungen in deutschen Kinderzimmern anrichten. Vielmehr gehen sie der Frage nach, warum „TKKG“ in Deutschland so beliebt ist und welche Funktion die Erzählungen erfüllen.

„TKKG“ ist dabei ein Krimi-Hörspiel, das wie Arsch auf Eimer zur postfaschistischen deutschen Gesellschaft passt. Als HilfspolizistInnen lösen die ProtagonistInnen Wünsche wie die Vollstreckung eines Strafbedürfnisses fiktional ein. Statt um das Lösen eines Kriminalfalles geht es in den TKKG-Geschichten darum, wie abweichendes Verhalten (durchaus brutal) geahndet wird. Indem die Hobbydetektive Gesetze zur Erhaltung ihrer eigene Rechtsgrundlage brechen und in jeder Folge einen neuen kleinen Ausnahmezustand ausleben, stehen sie für die gewaltförmigen und willkürlichen Tendenzen, die dem Rechtsstaat selbst innewohnen – und die sich umso stärker zeigen, je autoritärer eine Gesellschaft sich entwickelt.

Die moralischen Koordinaten, die in der Kinderkrimi-Serie die Gerechtigkeitsvorstellungen antreiben, um Recht zu brechen, knüpfen dabei an Momente der deutschen Vergangenheitsbewältigung an: Die deutschen Verbrechen im Nationalsozialismus sind ständig als unausgesprochener „Motor“ präsent, allerdings reaktionär gewendet: Statt Antifaschismus und Aufklärung verpflichtet, säubern TKKG die Straßen und folgen dem Ressentiment.

Der Vortrag enthält zahlreiche Hörbeispiele und basiert auf einem Beitrag aus dem Buch „Deutschlandwunder – Wunsch und Wahn in der postnazistischen Kultur“, an dessen Herausgabe Volker Beeck und Jean-Philipp Baeck ebenfalls mitgewirkt haben. Beeck ist Redakteur des „Extrablatt – Aus Gründen gegen fast Alles“ und Mitglied bei der Gruppe „Les Madeleines“. Baeck arbeitet als Redakteur der tageszeitung „taz“ und als Autor in Norddeutschland.